Pünktlich zum Release des Albums „Blackbox“ des Rappers Laas Unltd. und dessen zeitgleich gestarteter „Kampagne gegen illegale Downloads“ lässt Oliver Marquardt, der neue Chefredakteur von rap.de, sich nicht lumpen, diese Kampagne in einem Artikel auf rap.de erstmal zu demontieren. Was sein gutes Recht ist, und mal ganz abgesehen davon, dass ich Laas Unltd. nicht kenne und weder er, noch seine Musik mich sonderlich interessieren, ist die Art und Weise wie das Ganze vonstatten geht, tatsächlich ein wenig, nun ja, suboptimal, sowohl im Modus Operandi, als auch in der Präsentation. Aber gut. Marquardt sieht sich also genötigt einige Worte zum Phänomen der illegalen Downloads zu verlieren, und beweist aufs journalistisch Allerschlampigste eine katastrophale intellektuelle Kurzsichtigkeit.
Ob nun Laas Unltd. von „der irrigen Annahme“ ausgehe, „jeder, der sich ein Album illegal herunterlädt, würde dieses stattdessen kaufen, wenn dies nicht möglich wäre“ oder ob er nun von den braven Downloadern spricht, „die es zunächst illegal herunterladen, es nach Anhören und Gefallen dann tatsächlich“ kaufen, Marquardt bedient nahezu jedes Argument, mit dem die Filesuckers ihr Tun zu beschönigen bzw. verharmlosen suchen. Zur Untermauerung führt er dann eine Studie der Gesellschaft für Konsumforschung an, welche besagt, dass „die Nutzer illegaler Filmseiten (...) im Schnitt nicht etwa weniger, sondern sogar deutlich mehr Geld für Kino und DVDs ausgeben als solche, die sich keine Raubkopien ansehen“. Anstatt dass Marquardt die Schwachsinnigkeit dieser Studie aufzeigt (natürlich geben Leute, die kino.to etc. nutzen, mehr Geld für Film und Kino aus, schlichtweg weil sie diesen Medien ein gesteigertes Interesse entgegenbringen), verweist er noch rasch auf die Tatsache, dass diese Studie – conspiracy theory, ick hör dir trapsen! – nicht publiziert werden durfte und überträgt sie dann auf die Rap-Szene. Doll. Ja, es ist klar, dass Rap-Hörer mehr Alben downloaden, als Leute, die mit Rap nix am Hut haben.
Und wenn er sich dann noch zu diesem wirklich, wirklich allerblödsinnigsten aller Vergleiche versteigt, nämlich das Kopieren von CDs und Schallplatten auf Tapes mit dem Uploaden und damit grenzenlos Verfügbarmachens eines Albums gleichzusetzen, dann – ja, dann fragt man sich wes Geistes Kind der neue rap.de-Chefredakteur denn nun ist. Ich meine, wer die Kausalität zwischen sinkenden Plattenverkäufen und steigenden Downloadzahlen nicht erkennt, der will sie nicht erkennen, und der geht dann vermutlich auch bei einem Gewitter vor die Tür und behauptet, es sei nicht erwiesen, dass er wegen des Regens nass würde, das könne ja auch andere Ursachen haben.
Marquardts leicht linksliberal angehauchter und Piratenpartei-konformer Reflex, die armen illegalen Downloader gegen die bösen, bösen Künstler, die so dreist sind für ihre Musik Geld zu verlangen, in Schutz zu nehmen gipfelt in seiner Einseitigkeit denn auch in seinem rasch und der journalistischen Sorgfaltspflicht (haha) geschuldeten Statement an die Rapper, die sich „lieber überlegen“ sollten, „in welcher Art und Weise sich mit Musik auch im 21. Jahrhundert noch Geld verdienen lässt“. Genau. Und solange laden wir halt dann mal noch fleißig runter.
Dass Marquardt illegales Filesharing und die damit verbundene Selbstbedienungsmentalität als gesellschaftliches Phänomen hinnimmt, ist ja zunächst mal okay. Aber dass ihm die kulturellen Auswirkungen dessen aber nichtmal eine Fußnote wert sind, und er den schwarzen Peter den Künstlern in die Schuhe schiebt, dagegen weniger.
Aber bleiben wir mal auf dem gleichen Niveau. Jeder Rap-Musiker hat seinen Twitter-Account, seine Facebook-Seite und sein eigenes Forum. Fans informieren sich bei „ihren“ Künstlern direkt, ohne den Umweg über eine berichtende Instanz, wie etwa rap.de, zu nehmen. Wenn sie wissen wollen ob ihnen ein Album gefällt, laden sie es runter, hören es durch und bilden sich ihre eigene Meinung, dazu benötigen sie keine Review. Und Internet-Phänomene, Youtube-Karrieren etc verbreiten sich über die Mundproaganda von Messengern, und sicherlich nicht über die Newsseiten von Magazinen. Rap-Journalismus ist als berichtende Instanz weitestgehend bedeutungslos. Die einzige Möglichkeit wieder Bedeutung zu erlangen ist es, journalistisch anspruchsvolle und dabei verständliche Texte zu verfassen; beispielsweise Essays, welche die Filesharing-Problematik behandeln. In denen nicht stumpf etwas angeprangert oder schlechtgeredet wird, sondern wo Phänomene skizziert und die Wechselwirkungen aufgezeigt werden, beispielsweise dass es ökonomisch keinen Sinn macht, Geld in die Produktion eines Albums zu stecken, wenn man am Ende rote Zahlen schreibt; dass Fans aber ein schlecht produziertes Album nicht kaufen werden, und somit ein Teufelskreis entsteht. Dass es mehr Rapper als Kfz-Mechaniker in Deutschland gibt, und dass die schiere Masse des Angebots es natürlich unmöglich macht, jedes Album zu kaufen. Dass die im Filesharing inhärente Selbstbedienungsmentalität sich möglicherweise auf den gesamten kulturellen Sektor auswirkt. Und dass man sich fragen sollte, ob eine Kultur, in der man für Ideen und geistige Urheberschaft nicht mehr entlohnt wird, eine wünschenswerte ist. Das sind alles so Fragen.
Da Herr Marquardt diese Fragen nicht stellt, und stattdessen auf niedrigstem Blog-Niveau Milchmädchenrechnungen reproduziert und präsentiert, sollte er sich lieber mal fragen, inwiefern sich mit Rap-Journalismus im 21. Jahrhundert noch Geld verdienen lässt.
Wenn das SEK vor der Tür steht
vor 16 Jahren